… für mich ist heute ein ganz besonderer Tag. Ich weiß, dass unzählig viele Tage in meiner Cafégeschichte durch Einmaligkeit und Besonderheit geprägt sind und waren.
Und dennoch fühlt sich dieser Tag nochmals ein Stückchen intensiver an.
Selten habe ich einen Blogbeitrag in dem Moment des Erlebens verfasst. In der Regel habe ich rückblickend von meinen Erfahrungen berichtet. So waren die meisten Erlebnisse bereits reflektiert.
Das ist in diesem Moment nicht der Fall. Ich schreibe jetzt einfach meine Gedanken und Gefühle runter ohne zu überlegen, wie ich es bestmöglich formulieren könnte.
Es ist heute der letzte Tag im Laden bevor ich am Wochenende zu meinem Marathon und danach nach Mexiko aufbreche. Drei Wochen lang werde ich in Mexiko sein. Diese Reise hat in vielerlei Hinsicht eine große Bedeutung für mich.
Zum Einen ist es nach über zwei Jahren der erste Urlaub, der länger ist als sechs Tage. Ich glaube, um einmal von seinem Alltag Abstand zu nehmen, sollte man mindestens zwei Wochen fern sein.
Aber das ist gar nicht das ach so besondere. Denn ich fühle mich nicht urlaubsreif, ich muss meinen Alltag nicht vergessen. Dafür ist er viel zu schön!
Dennoch ist ein Abstand wichtig, um erneut aus einer anderen Perspektive auf die Dinge zu schauen, auf das Café, auf mein Leben, auf mich, ….
An dieser Stelle beginnt das Entscheidende der Reise. Ich werde dorthin zurückkehren, wo die allerersten Ideen meines Cafés entstanden sind. Es ist das traumhaft schöne, voller Leben gefüllte Viertel „Condesa“ in Mexico City. Ich saß auf den Plätzen unter vielen grünen Bäumen und in meinem Lieblingscafé und habe von meinem eigenen Café geträumt. Ich hatte ein genaues Gefühl davon, wie mein Café werden würde, wie sich mein Leben anfühlen würde.
In jenen Tagen in meinem Lieblingscafé habe ich formuliert, wie ein üblicher Tag meines Lebens mit einem Café aussehen würde. Ganz so als hätte ich zu jener Zeit den Café-Traum schon gelebt. Den Text habe ich mit „Es ist Mittwochmorgen, die Sonne geht auf und mit einem großen Lachen im Gesicht habe ich Lust endlich wieder aufzustehen und den neuen Tag zu beginnen. Ich betreibe ein kleines Café und bin der allerglücklichste Mensch, ….“ usw. Es ist total verrückt, denn so wie ich es vor drei Jahren aufgeschrieben habe, hat es sich tatsächlich verwirklicht!

Nun…drei Jahre später…fliege ich an den Ursprungsort der Idee von dem Café, wie Ihr es kennt. Wie sich das wohl anfühlen wird, dort in meinem Lieblingscafé zu sitzen und zu reflektieren, was sich in den letzten drei Jahren bis heute entwickelt hat. Eins ist gewiss: es ist wahnsinnig viel!
Der heutige Tag fühlt sich wiederholt nach allergrößter Dankbarkeit & Glück an.
Es ist so, als wäre das Leben so präsent. Ein sehr ähnliches Gefühl hatte ich an meiner Eröffnungsfeier, die ein sooooooo wundervolles, lebensfrohes, gigantisches Fest war. Ich hätte es nie gewagt, mir jenen Tag in meinen tiefsten Träumen auszumalen, um nicht enttäuscht zu werden 🙂

(Dass gerade kein Gast hier ist und ich diesen Beitrag schreiben kann, ist so typisch für das Café. Als würden alle wissen, dass sie erst in in 20 Minuten kommen sollten, damit ich die Gedanken zu Ende formulieren kann.)

Aber nicht nur die Tatsache, an den wahren Entstehungsort des Cafés zurückzukehren, ist das schöne Gefühl des heutigen Tages.
Erfüllend ist noch etwas Anderes: Seit Anfang des Jahres habe ich mich darauf vorbereitet, das Café, mein Baby, ein großes Stück loszulassen, um morgen Cathy das Zepter für die nächsten zwei Wochen zu überreichen.
Auf der einen Seite haben Cathy und ich in den letzten sechs Wochen in jeglicher Form auf diese Zeit hingearbeitet. Cathy hat sich unter anderem ein detailliertes Café-de-María-Handbuch erstellt.
Das war die eine Sache. Doch für mich war nicht die fachliche Vorbereitung das Maßgebliche. Ich weiß, dass Cathy die beste Person ist, die hinter meinem Tresen stehen sollte. Natürlich kann es stressig werden,  vielleicht fallen die Kaffeemühlen aus und plötzlich passt der Mahlgrad nicht mehr oder das mit dem Kaffeeaufbrühen geht einfach schief. Aber das ist okay, denn all diese Erfahrungen habe ich auch gemacht. Es gehört zum Wachstum dazu!
Insofern ist das Essentielle der Vorbereitung etwas ganz Anderes, Tieferes.
Es war der Prozess des Loslassens.
Als ich im Winter mit Grippe im Bett lag, war Cathy schon einmal für ein paar Tage allein im Laden. Das fiel mir alles andere als leicht. Nicht weil ich Angst hatte, dass sie etwas falsch machen würde. Sondern weil mich ein fast schmerzhaftes Gefühl überkam, dass eine andere Person nun das übernimmt, was ich mit viel, viel Lebenszeit und Energie aufgebaut habe. Es fühlte sich für mich einen Moment lang so an, als würde sich eine andere Person in das gemachte Nest setzen und die Früchte ernten. Als würde man mir etwas wegnehmen. Jedoch war es allein mein Thema, denn Cathy ist die allerletzte Person, die so handeln würde. Im Gegenteil, sie bringt sich bedingungslos für den Laden ein, damit es wachsen kann. Sie schenkt mir so viel Dankbarkeit und Bewunderung. Was war es also dann?

Die Erkenntnis ist wohl eine der persönlichsten, die ich in diesem Blog je geteilt habe. Ich musste mir eingestehen, dass ich diejenige war, die mir im Unbewussten nicht erforderliche Anerkennung für mich und das, was ich mache …. gegeben habe. Ich musste feststellen, dass Selbstbewusstsein nicht äquivalent zum Selbstwert ist. Mir wurde nochmals verstärkt klar, dass sich jeder Einzelne von uns durch seinen persönlichen Lebensweg auszeichnet. Plötzlich hatte ich verstanden, dass man mir den Weg, den ich gegangen bin, niemals wegnehmen kann. Ja und als ich all dies verstanden hatte, war alles wie geheilt. Jetzt scheint der Zeitpunkt reif zu sein, meinen Laden zu verselbstständigen. Und es fühlt sich wahnsinnig gut an. Denn ich merke, wie sehr es wiederholt ein persönlicher Wachstumsprozess war. Es wird viel Neues und Schönes kommen. Lassen wir uns überraschen. Nun wartet in den nächsten Wochen erst einmal das Café de Cathy auf Euch.
Ich werde den Beitrag jetzt posten, ich kann in den nächsten Tagen ja meine Formulierungen korrigieren.